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LAG Schleswig-Holstein: Keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach entzündeter Tätowierung

  • Autorenbild: Paula Diegelmann
    Paula Diegelmann
  • vor 1 Tag
  • 2 Min. Lesezeit

Streitgegenständlich ist die Frage gewesen, ob die Klägerin einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeiträume vom 20.12.2023 bis 22.12.2023 sowie vom 27.12.2023 bis 28.12.2023 hat. Auslöser der streitgegenständlichen Frage war die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit der Klägerin, die auf eine Entzündung am Unterarm aufgrund einer frischen Tätowierung zurückzuführen war.

Die Klägerin ist seit dem 21.08.2023 als Pflegehilfskraft in der Tagespflege bei der Beklagten, die einen Pflegedienst betreibt, mit einem Bruttomonatsgehalt von 1.956,60 Euro und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden tätig. Am 15.12.2023 ließ sich die Klägerin am Unterarm tätowieren. Das neu gestochene Tattoo führte zu einer Entzündung des Unterarmes. Aus diesem Grund teilte die Klägerin der Beklagten am 19.12.2023 mit, dass sie bis zum 22.12.2023 arbeitsunfähig erkrankt sei. Für den entsprechenden Zeitraum legte sie der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor.

Für den Monat Dezember 2023 zahlte die Beklagte der Klägerin daraufhin ein reduziertes Monatsgehalt i.H.v. 1.490,74 € aus. In der Abrechnung vermerkte die Beklagte als Grund hierfür „Unbezahlte Freizeit (unentschuldigtes Fehlen, Arbeitsbummelei)“ für die Tage vom 20.12.2023 bis zum 22.12.2023 sowie vom 27.12.2023 bis zum 28.12.2023. Mit Schriftsatz vom 15.03.2024 erhob die Klägerin vor dem AG Flensburg Zahlungsklage und beantragte die Beklagte zu verurteilen, 465.90€ brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2024 an die Klägerin zu zahlen. Die Klägerin vertrat dabei die Auffassung, dass sie kein Verschulden i.S.d. § 3 Abs. 1 EFZG treffe, da lediglich in 1-5% der Fälle von Tätowierungen eine Entzündung auftrete und sich somit lediglich ein geringes Risiko verwirklicht habe, mit welchem die Klägerin nicht zu rechnen brauchte.  Somit handle es sich aus Sicht der Klägerin um eine Folgeerkrankung. Ebenso gab die Klägerin zu verstehen, dass Tätowierungen als Teil der privaten Lebensführung geschützt und weit verbreitet seien.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Hierbei vertrat die Beklagte unter anderem die Auffassung des Arbeitsgerichtes Flensburg aus 1. Instanz. Demnach habe die Klägerin die Arbeitsunfähigkeit nach § 3 Abs. 1 EFZG durch die Tätowierung selbst verschuldet und Komplikationen billigend in Kauf genommen.

Das LAG Schleswig-Holstein wies die Berufung der Klägerin als unbegründet zurück. Entgegen der Auffassung der Klägerin sah das Gericht ein Verschulden der Klägerin i.S.d. § 3 EFZG als gegeben an. Demnach hätte die Klägerin mit einer Entzündung der Haut nach der Tätowierung rechnen müssen, wodurch sie gegen ihr Eigeninteresse, nämlich den Erhalt der eigenen Gesundheit, verstoßen habe. Die Tätowierung ist außerdem kausal für die Entzündung der Haut anzusehen. Das der Eintritt der Entzündung dabei erst einige Tage nach der Tätowierung eintrat, steht einem Verschulden nicht entgegen.


Hinweis von Paula Diegelmann:


Die Entscheidung verdeutlicht das bestehende Spannungsfeld zwischen Rechtsprechung und Literatur, bei der Frage, ob ein Verschulden i.S.d § 3 EFZG bei medizinisch nicht indizierten Operationen vorliegt. Während das BAG ein Verschulden verneint, wenn eine solche Operation nach dem allgemein anerkannten medizinischen Stand durchgeführt wird und hierbei Komplikationen auftreten, mit welchem im Voraus nicht gerechnet werden kann, sehen Kritiker in der Literatur ein Verschulden bei medizinisch indizierten Operationen stets als gegeben an. Zu beachten ist außerdem, dass die Krankenkassen bei medizinisch nicht indizierten Operationen den Arbeitnehmenden an den Kosten in angemessener Höhe beteiligen und das Krankengeld ganz oder teilweise versagen kann.

 

Gericht:             LAG Schleswig-Holstein

Az.:                     5 Sa 284 a/24

Datum:               22.05.2025

 

 
 
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