EuGH: Unterstützungspflicht des Arbeitgebers gegenüber Eltern eines Kindes mit Behinderung
- Norbert Gescher
- 22. Sept.
- 2 Min. Lesezeit
Dem aktuell entschiedenen Urteil lag ein Sachverhalt zugrunde, bei als Stationsaufsicht in einem Krankenhaus tätig war. Diese pflegt ihren vollinvaliden Sohn und hatte mehrfach geltend gemacht, der Arbeitgeber möge sie an einem Arbeitsplatz einsetzen, an dem sie mit festen Arbeitszeiten und nur am Vormittag arbeiten könne.
Der Arbeitgeber stimmte diesem Arbeitszeitmodell nur befristet der Mutter vorläufig eine Anpassung ihrer Arbeitszeiten. Er lehnte es jedoch ab, diese Anpassungen auf Dauer zu gewähren. Dagegen klagte die Mutter.
Der italienische Kassationsgerichtshof fragte den EuGH an, ob sich nach der Richtlinie 2000/78 eine Person, die selbst nicht behindert ist, vor Gericht auf das Verbot jeder mittelbaren Diskriminierung wegen einer Behinderung berufen könne. Der EuGH solle insbesondere auch die Frage beantworten, ob es dem Arbeitgeber obliegt, angemessene Vorkehrungen zu treffen, um der Diskriminierung abzuhelfen.
Der EuGH verweist auf das Ziel der Richtlinie, in Beschäftigung und Beruf jede Form der Diskriminierung wegen einer Behinderung zu bekämpfen. Daher gelte das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen einer Behinderung auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die wegen der Unterstützung eines behinderten Kindes diskriminiert werden.
Nach der jetzt vorliegenden Entscheidung des EuGH ist die Rahmenrichtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf im Lichte des Diskriminierungsverbots, der Wahrung der Rechte der Kinder und des Rechts behinderter Personen auf Eingliederung auszulegen. Dabei sei auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu beachten.
Aus diesen Regelungen müsse geschlossen werden, dass das allgemeine Diskriminierungsverbot auch die mittelbare "Mitdiskriminierung" erfasse. Im Ergebnis dürften Eltern von Kindern mit Behinderung daher nicht aufgrund der Behinderung ihrer Kinder benachteiligt werden.
Hinweise RA Dr. Norbert Gescher
Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen und stärkt die Rechte von berufstätigen Eltern von Kindern mit Behinderung. Zwar stellt der EuGH auch klar, dass der Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belastet werden dürfe. Das Verbot einer „Mitdiskriminierung“ wird jedoch zukünftig im Rahmen der Prüfung billigen Ermessens nach § 106 GewO erhebliche Bedeutung zukommen.
Gericht: EuGH
Az: C 38/24
Datum: 11.09.2025