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AutorenbildNorbert Gescher

LAG Niedersachsen: Digitale Entgeltabrechnung – Keine Ersetzung der Einwilligung des Mitarbeitenden durch BV


Die Klägerin ist in einem Marktgeschäft beschäftigt und hat im streitigen Zeitraum ausschließliche digitale Entgeltabrechnungen über ein digitales Mitarbeiterpostfach erhalten, dass auf der Basis einer Konzernbetriebsvereinbarung eingeführt wurde. Darin heißt es unter anderem:

 

„Alle Personaldokumente, werden zukünftig über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach mehrsprachig bereitgestellt und können vom Mitarbeiter über einen Online-Zugriff auf dieses Postfach abgerufen werden. Nach einer Übergangsfrist von 9 Monaten erfolgt kein Versand von Papierdokumenten mehr.“

 

Die Klägerin erhielt die letzte Entgeltabrechnung in Papierform für den Monat Februar 2022. Sie forderte die Beklagte per E-Mail vom 22.05.2022 auf, ihr die nachfolgenden Entgeltabrechnungen postalisch zukommen zu lassen. Sie widersprach der Erteilung der Abrechnung über ein digitales Mitarbeiterpostfach und klagte auf ordnungsgemäße Abrechnung. Nachdem die Klägerin in erster Instanz unterlegen war, gibt ihr nun das LAG in vollem Umfang recht. Klägerin hat demnach gem. § 108 Abs. 1 S. 1 GewO Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber bei Auszahlung des Arbeitsentgelts Abrechnung in Textform erteilt. Die Textform sei zwar durch das Einstellen der Entgeltabrechnungen über einen Cloud Service in ein digitales Mitarbeiterpostfach gewahrt. Gem. § 126 b BGB genügt es nämlich für die Textform, wenn eine lesbare Erklärung, in der die Person des erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Tatenträger abgegeben wird. Dennoch werden die Entgeltabrechnungen für die Klägerin über das digitale Mitarbeiterpostfach nicht erteilt, weil sie ihr im Rechtssinne nicht zugehen. Bei einem digitalen Mitarbeiterpostfach handelt es sich demnach nur dann um eine geeignete Empfangsvorrichtung, wenn der Empfänger sie auch für den Empfang von Willenserklärungen im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt hat, was aufgrund des unstreitig erfolgten Widerspruchs der Klägerin nicht der Fall sei. Die fehlende Zustimmung könne aber auch durch die Regelungen der Konzernbetriebsvereinbarung nicht ersetzt werden.

 

Hinweise von RA Dr. Norbert Gescher

 

Der Abschluss der Konzernbetriebsvereinbarung war hier gleich aus zwei Gründen nicht geeignet, die Einwilligung der Klägerin zu ersetzen. Zum einen dürfte der Konzernbetriebsrat gem. § 58 Abs. 1 BetrVG nicht (originär) zuständig gewesen sein und zum anderen besteht kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Art und Weise der Erteilung der Entgeltabrechnung i.S.v. § 108 Abs. 1 S. 1 GewO. Rechtlich umsetzbar sind derartige Lösungen daher nur mit der Einwilligung der betroffenen Mitarbeitenden. Hinsichtlich der Einführung und Anwendung der digitalen Plattformlösung bleibt es aber selbstverständlich beim kollektiven Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG. Welche Gremium hierfür zuständig ist, hängt von der konkreten Programmausgestaltung ab.


Gericht: LAG Niedersachsen

Az: 9 SA 575/23

Datum: 16.01.2024

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