BAG: Vergütung für Umkleidezeiten – Entgeltfortzahlung – Urlaubsentgelt – Gutschrift auf Arbeitszeitkonto
- Paula Diegelmann
- 11. Aug.
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Streitgegenständlich ist die Frage gewesen, ob tariflich vorgesehene Umkleidezeiten nicht nur bei der tatsächlichen Erbringung von Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmenden, sondern auch bei dessen Abwesenheit wegen Krankheit und Urlaub auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben wird.
Der Kläger ist seit Juli 1996 bei der Beklagten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, als Rettungssanitäter beschäftigt. Bei seiner Tätigkeit ist der Kläger verpflichtet Schutzkleidung zu tragen, welche jeweils im Betrieb an- und abgelegt wird. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten unterliegt dem Manteltarifvertrag (MTV) zwischen dem Bayerischen Roten Kreuz und ver.di vom 01.10.2017. Ausgehend von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden wird auf Grundlage des § 9 Abs. 4 MTV eine Jahressollarbeitszeit berechnet, welche auf einem nach § 11 MTV für jedem Mitarbeitenden individuell eingerichteten Jahresarbeitszeitkonto zu erfassen ist. Die geschuldete Arbeitszeit wird nach § 11 Abs. 2 MTV sowohl durch die Erbringung von tatsächlicher Arbeitsleistung als auch durch Abwesenheitszeiten, welcher der Arbeitsleistung gleichstehen, erfüllt. Weiterhin sieht § 23 Abs. 2 MTV vor, dass Mitarbeitende des Rettungsdienstes für ihre Umkleidezeiten eine Zeitgutschrift von 12 Minuten je geleisteter Schicht auf ihrem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben bekommen. Eine Gewährung der Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto der Rettungssanitäter erfolgt durch die Beklagte allerdings nur für Zeiten der tatsächlichen Arbeitsleistung, nicht jedoch für Zeiten im Falle von Krankheit oder Urlaub der Mitarbeitenden.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger eine Zeitgutschrift von 10,4 Stunden. Diese setze sich aus 5,8 Stunden krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit sowie aus 4,6 Stunden Urlaub zusammen.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen und verwies hierbei auf § 23 Abs. 2 MTV, welcher lediglich eine Zeitgutschrift für das tatsächliche Umkleiden gewähren würde. Demnach sei auf dem Arbeitszeitkonto nach § 11 Abs. 2 MTV nur die dienstplanmäßig vorgesehene Arbeitszeit gutzuschreiben; die Umkleidezeiten gehörten hier nicht dazu.
Das BAG sah die Klage des Klägers als begründet an; die Beklagte muss dem Kläger eine Zeitgutschrift von 10,4 Zeitstunden auf dessen Arbeitszeitkonto gutschreiben.
Das An- und Ablegen von Schutzausrüstung stelle eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit dar, welche grundsätzlich entsprechend des § 611a BGB vergütet werden müsse. Eine Vergütung der Umkleidezeiten erfolgt auf Grundlage des § 23 Abs. 2 MTV durch eine pauschale Gutschrift mit je 12 Minuten pro absolvierte Schicht auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers. In Zeiten, in welchem der Kläger arbeitsunfähig erkrankt sei, erfolge die Anrechnung der Umkleidezeiten nach Ansicht des BAG aus §§ 3 Abs. 1 S. 1, 4 Abs. 1 EFZG i.V.m. dem einschlägigen Tarifvertrag. Das Arbeitszeitkonto stelle lediglich eine andere Form der Vergütung dar, weshalb im Falle einer arbeitsunfähigen Erkrankung des Klägers das Entgeltausfallprinzip des § 4 Abs. 1 EFZG greife und folglich eine Anrechnung der Zeitgutschrift auch im Falle einer Krankheit des Klägers durch die Beklagte erfolgen müsse.
Auch im Falle eines Urlaubs müssen die Umkleidezeiten in Zeiten der Abwesenheit durch die Beklagte auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers angerechnet werden. Nach § 1 BurlG muss das Urlaubsentgelt alle ausfallenden Arbeitsstunden umfassen, worunter auch die Umkleidezeiten fallen. Von diesen Bestimmungen kann auch aufgrund der Rechtsnormen des §§ 1, 13 BurlG nicht durch einen Tarifvertrag abgewichen werden.
Hinweise von Paula Diegelmann:
Die Entscheidung verdeutlicht, dass es sich bei Zeitgutschriften um Arbeitsentgelt iSd § 611a Abs. 2 BGB handelt, weshalb auch im Falle von Krankheit und Urlaub eine Anrechnung der Zeitgutschriften für Umkleidezeiten erfolgen muss. Arbeitgebende ist es weiterhin möglich, für den Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ihrer Mitarbeitenden, individual- oder kollektivrechtliche Regelungen zu treffen, welche in Zeiten einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eine andere auch geringere Vergütung vorsehen. Im Falle der Abwesenheit aufgrund von Urlaub sind solche Regelungen aufgrund der Rechtsnormen des §§ 1, 13 BurlG sowie aufgrund des Unionsrechts allerdings nicht möglich.
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Az.: 5 AZR 215/24
Datum: 14.05.2025