Generalanwältin beim EuGH: Kirchenaustritt kein Kündigungsgrund!
- Norbert Gescher

- 2. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Nachdem der EuGH im Fall einer aus der Kirche ausgetretenen Hebamme keine Entscheidung über die Frage treffen konnte, ob der Kirchenaustritt für einen kirchlichen Arbeitgeber eine Kündigung rechtfertigt, weil der katholische Klinikträger die Kündigungsschutzklage anerkannt hatte (und damit für den EuGH Erledigung eingetreten war), steht nun erneut eine entsprechende Entscheidung an.
Das BAG hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ab die 2019 erfolgte Kündigung einer Beraterin beim Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF) berechtigt ist, nachdem diese aus der katholischen Kirche ausgetreten war und sich weigerte, wieder einzutreten. Beim kündigenden Träger waren zu diesem Zeitpunk auch zwei evangelische Beraterinnen beschäftigt.
Nach dem jetzt vorliegenden Schlussantrag der Generalanwältin ist die Kündigung dann diskriminierend, wenn andere Beraterinnen die gleiche Arbeit machen, ohne in der katholischen Kirche zu sein und wenn die gekündigte Beraterin nicht offen dem Kirchen-Ethos zuwiderhandelt. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Die Kündigung lasse sich nicht wegen des Kirchenaustritts nicht durch Art. 4 Abs. 4 RL 2000/78/EG rechtfertigen lässt. Die Vorschrift würde eine Kündigung nur dann erlauben, wenn die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen würde, um die Tätigkeit auszuüben und sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.
Eine berufliche Anforderung, die in der kontinuierlichen Zugehörigkeit zu einer Kirche besteht, sei aber nicht als wesentlich im Sinne des Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG anzusehen, wenn der Arbeitgeber die Ausübung der Tätigkeit selbst nicht von der Religionszugehörigkeit abhängig macht und Personen mit anderen Religionszugehörigkeiten eben diese Tätigkeit ausüben lässt.zu den schwersten Vergehen gegen den Glauben und die Einheit der Kirche.
Zudem lasse allein der Austritt nicht die Annahme zu, dass die Beraterin die Grundprinzipien und Werte der katholischen Kirche nicht mehr befolgen und automatisch aufhören werde, die für ihr aufgrund des Arbeitsverhältnisses geltenden Pflichten zu erfüllen.
Hinweise RA Dr. Norbert Gescher
Dem Schlussantrag war mit Spannung entgegengesehen worden und er liegt auf der Linie der Erwartungen nach den vorangegangenen Entscheidungen im "Chefarzt-Fall" sowie im Fall Ettenberger, in denen jeweils bereits die von den Kirchen für sich beanspruchten Entscheidungen über Sachverhalte, die sich aus Sicht der Kirchen als Loyalitätsverstöße darstellen, deutlich eingeschränkt worden.
Folgt der EuGH dem Schlussantrag, bleiben für die Kirchen damit außer dem Kernbereich pastoraler Tätigkeit wohl keine Kündigungsmöglichkeiten bei einem Kirchenaustritt, sofern über den Austritt allein nicht weitere Aspekte, mit denen sich die Betroffene gegen die Kirche wendet, hinzukommen.
Zutreffend betont die Generalanwältin, dass das Recht von Kirchen auf Autonomie nicht so weit gehen dürfe, dass es der religiösen Organisation erlaubt wäre, der Arbeitnehmerin allein bei einem Austritt zu kündigen, weil dann das Recht der Kirchen auf Autonomie der Einhaltung der in der Richtlinie 2000/78/EG genannten Kriterien der gerichtlichen Kontrolle entzogen würde und eine derartige Auslegung zugleich der Religionsfreiheit des Einzelnen zuwider laufen würde.
Gericht: Schlussantrag Generalanwältin beim EUGH
Az: C-258/24
Datum: 10.07.2025