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BAG: Sozialplanabfindung und Zinsen

Autorenbild: Adrian KalbAdrian Kalb

Das Bundesarbeitsgericht hatte über den Zeitpunkt der Fälligkeit einer Sozialplanabfindung und damit über die Höhe der an die Arbeitnehmerin zu zahlenden Verzugszinsen zu entscheiden.

 

Folgender Sachverhalt liegt zugrunde:

 

Die Klägerin (Arbeitnehmerin) war bei der Beklagten (Arbeitgeberin) bis zum 31. Juli 2019 beschäftigt. Nach dem durch Spruch der Einigungsstelle am 8. Mai 2019 beschlossenen Sozialplan stand ihr ein Abfindungsanspruch zu, der mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werden sollte. Die Arbeitgeberin hatte den Einigungsstellenspruch wegen Überdotierung des Sozialplans angefochten. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen den – auf die Unwirksamkeit des Sozialplans gerichteten – Feststellungsantrag ab. Das Bundesarbeitsgericht verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten mit Beschluss vom 27. April 2021. Am 20. Mai 2021 zahlte die Beklagte an die Klägerin eine Sozialplanabfindung. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin – zuletzt noch – Verzugszinsen auf diesen Betrag ab dem 1. August 2019 und damit ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sie hat die Auffassung vertreten, die – erfolglose – Anfechtung des Sozialplans habe keinen Einfluss auf den im Sozialplan festgelegten Fälligkeitszeitpunkt.

 

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Klägerin, so das BAG, hat Anspruch auf Verzugszinsen bereits ab dem 1. August 2019. Die – erfolglose – gerichtliche Anfechtung des Sozialplans hat nicht zu einer Verschiebung des dort bestimmten Fälligkeitszeitpunkts geführt. Die gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs hat lediglich feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Die Beklagte traf im Übrigen ein Verschulden an der verspäteten Leistung. Die bloße Unsicherheit über die Wirksamkeit des Sozialplans begründete keinen unverschuldeten Rechtsirrtum.

 

Hinweise von Rechtsanwalt Adrian Kalb:

Die Entscheidung des BAG (1 AZR 73/24) liegt bislang nur als Pressemitteilung Nr. 5/25 vor. Danach werden Abfindungsansprüche aus einem durch Spruch der Einigungsstelle beschlossenen Sozialplan, der erfolglos gerichtlich angefochten wurde, zu dem im Sozialplan bestimmten Zeitpunkt und nicht erst mit Rechtskraft der Entscheidung in dem Beschlussverfahren über die Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs fällig.


Bis auf wenige vereinzelte Ausnahmen besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Zahlung einer Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht. Die Zahlung einer Abfindung ist damit regelmäßig das Ergebnis einer Verhandlung. Kommen die Arbeitsvertragsparteien (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) etwa in einem gerichtlichen Verfahren über die Wirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung zu einer Vereinbarung, einem sog. gerichtlichen Vergleich, in dem der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses geregelt wird, so wird regelmäßig auch die Zahlung einer Abfindung vereinbart. Ob und in welcher Höhe eine solche Abfindung vereinbart wird, richtet sich insbesondere nach den Erfolgsaussichten der jeweiligen Partei im Kündigungsschutzverfahren. Steht zu befürchten, dass eine ausgesprochene Arbeitgeberkündigung letztlich unwirksam sein könnte und steigt damit das Prozessrisiko des Arbeitgebers das Kündigungsschutzverfahren zu verlieren, so ist dieser unter Umständen bereit eine erhöhte Abfindung zu zahlen, um sich dieses Risikos zu entledigen. Steht hingegen für den Arbeitnehmer zu befürchten, dass eine ausgesprochene Arbeitgeberkündigung einer gerichtlichen Überprüfung Stand halten wird, so besteht für den Arbeitgeber unter Umständen keine Veranlassung eine Abfindung anzubieten oder ggf. nur in geringer Höhe. Es kommt insofern maßgeblich auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an.


Eine Ausnahme, bei der Arbeitnehmer „automatisch“ einen Anspruch auf eine Abfindung erhalten, besteht dann, wenn zwischen ihrem Arbeitgeber und dem Betriebsrat ein Sozialplan vereinbart worden ist und dieser eine sog. Sozialplanabfindung vorsieht. Ein Sozialplan ist eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, um wirtschaftliche Nachteile, die betroffenen Arbeitnehmern durch Betriebsänderungen beispielsweise bei Massenentlassungen drohen, abzumildern oder auszugleichen. Regelmäßig wird in einem solchen Sozialplan dann eine sog. Abfindungsformel geregelt, die als Berechnungsgrundlage für zu zahlende Abfindungen herangezogen werden soll. Auf die Zahlung einer solchen Sozialplanabfindung haben betroffener Arbeitnehmer dann grundsätzlich auch einen Anspruch.

 

Gericht:               BAG

Az:                       1 AZR 73/24

Datum:                28.01.2025

 

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