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BAG: Betriebsübergang – Zuordnung – Widerspruch des Arbeitnehmers

  • Autorenbild: Paula Diegelmann
    Paula Diegelmann
  • 25. März
  • 3 Min. Lesezeit

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer dem Betriebsübergang vorgelagerten Versetzung sowie um den Fortbestand des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.


Der Kläger (Arbeitnehmer) ist bei der Beklagten (Arbeitgeberin), einer Kraftfahrzeugherstellerin, langjährig beschäftigt. Die Beklagte betreibt an den Standorten R und D jeweils ein Entwicklungszentrum (ITEZ) mit jeweils 6.000 Beschäftigten.


Ende 2018/Anfang 2019 schlossen die Beklagte und die S GmbH eine Übernahmevereinbarung bzgl. eines Teils des ITEZ am Standort R. Hinzukommend pachtete S einen Teil der Teststrecke, welche sich am Standort D befindet.


Aufgrund der vorliegenden Übernahmevereinbarung führte die Beklagte in den Betriebstätten der Standorte D und R jeweils personelle sowie organisatorische Maßnahmen durch, um eine der Übernahmevereinbarung entsprechende Organisation aufzubauen, welche anschließend auf die S GmbH übergehen sollte.


Mit Schreiben vom 25. Juni 2019 wurde der Kläger über den geplanten Betriebsübergang auf S zum 30. August 2019 informiert. Zusätzlich wurde der Beklagte mit Schreiben vom 26. Juli 2019 über seine Versetzung in die auf S übergehende betriebliche Einheit informiert. Mit einem Schreiben von 19. August 2019 teilte der Kläger mit, dass er der Versetzung nur unter Vorbehalt nachkomme und die Wirksamkeit gerichtlich überprüfen lasse.

Die Betriebsveräußerung erfolgte am 30.08.2019. Die Arbeitsorganisation sowie die Tätigkeiten wurden ohne wesentliche Änderungen oder Unterbrechungen bei S weitergeführt. Der Kläger erhob im November 2020 Widerspruch gegen den geplanten Übergang seines Arbeitsverhältnisses.


Gegen die Versetzung, sowie gegen einen Übergang des Arbeitsverhältnisses legte der Kläger im September 2020 Klage ein und beantragt die Feststellung, dass mit der Beklagten weiterhin ein Arbeitsverhältnis bestehe. Als Begründung zog der Kläger heran, dass ein Betriebsübergang nach § 613a BGB nicht vorliege, da eine wirtschaftliche Einheit zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges nicht vorgelegen hätte. Ebenso betont der Kläger, dass das Unterrichtungsschreiben vom 25. Juni 2019  fehlerhaft gewesen sei, sodass ein Widerspruch im November 2020 noch möglich gewesen sei. Die Beklagte beantragt hingegen, die Klage abzuweisen.


Vorliegend hat das BAG die Entscheidung des Berufungsgerichts bestätigt, wonach es sich bei der von S übernommenen Betriebsstätte sowohl in D als auch in R um eine übergangsfähige wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 613a Abs. 1 S. 1 BGB handelt. Die wirtschaftliche Einheit ist nach Ansicht des BAG identitätswahrend durch Rechtsgeschäft übergegangen.


Entgegen der Ansicht des Klägers scheitert ein Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf S nicht schon im Rahmen einer analogen Anwendung von § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB, weil er wegen des Betriebs(teil)-übergangs in die übergehende wirtschaftliche Einheit versetzt worden ist. Es fehlt an den Voraussetzungen für eine solche Analogie.


Es fehle, so das BAG, bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat mit dem in § 613a Abs. 6 BGB geregelten Widerspruchsrecht eine Möglichkeit für den Arbeitnehmer eröffnet, zu verhindern, dass er einen neuen, von ihm nicht gewollten Arbeitgeber durch den Betriebsübergang bekommt. Unabhängig davon betrifft die gesetzliche Regelung des § 613a Abs. 4 BGB eine andere Interessenlage. Mit dieser Norm soll die Kontinuität bereits zugeordneter Arbeitsverhältnisse sichergestellt werden. Der Betriebsübergang als solcher soll nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Demgegenüber wird durch eine dem Betriebsübergang vorgelagerte Versetzung in den übergehenden Betrieb der Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht in Frage gestellt. Vor einer vom Arbeitnehmer nicht gewünschten Auswechselung des Arbeitgebers schützt dagegen das Widerspruchsrecht des § 613a Abs. 6 BGB.


Dies, so das BAG, könnte nur dann anders zu beurteilen sein, wenn ein Arbeitnehmer wegen einer vorangegangenen Zuordnungsentscheidung nicht von einem Betriebs(teil)übergang betroffen ist und in einem wirtschaftlich nicht lebensfähigen Restbetrieb verbleibt. Dann könnte sich die Frage nach einer etwaigen Rechtsmissbräuchlichkeit der Zuordnungsentscheidung stellen, da den zurückbleibenden Arbeitnehmern - anders als den übergehenden - nicht die Möglichkeit eines Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB zusteht. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.

 

 

Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, sei das Recht des Klägers auf Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit einer Versetzung in den übergegangenen Betriebsteil allerdings nicht verwirkt, auch wenn seit dem Betriebsübergang und der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Versetzung mehr als ein Jahr verstrichen sei. Eine Verwirkung ergebe sich weder aus dem Zeitmoment noch aus dem Umstandsmoment. Insbesondere die Tatsache, dass der Kläger ausdrücklich mit Schreiben vom 19. August 2019 geltend gemacht hat, dass er sich gegen die Versetzung wehren wolle, macht nach Ansicht des BAG deutlich, dass eine Verwirkung nicht eingetreten sei. Auch der durchgeführte Betriebsübergang stellt keine „Zäsur“ dar, nach welcher der Kläger seinen Vorbehalt gegenüber der neuen Erwerberin S hätte mitteilen müssen. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der Kläger wolle sein Recht doch nicht ausüben, liegt nach Auffassung des BAG nicht vor.


Ob der Kläger der übergegangenen Einheit wirksam zugeordnet war, steht mangels entsprechender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht fest. Das Landesgericht muss nun prüfen, ob die Versetzung des Klägers wirksam war und ob die betriebsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

 


Hinweise von Paula Diegelmann:

Das Urteil des BAG ist konsequent und führt zu einer klaren Regelung des in § 613a Abs. 6 BGB vorgesehenen Widerspruchrechts.  Gerade in der komplexen Regelungsmaterie des Betriebsübergangs ist die seitens des BAG erklärte Ablehnung einer analogen Anwendung hilfreich.


Gericht: BAG

AZ:  2 AZR 98/23

Datum:  30.01.2025

 

 
 
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