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AutorenbildNorbert Gescher

Benachteiligung eines Betriebsratsmitglieds durch unterbliebene Gehaltsanpassung

Gegenstand des Verfahrens war die Klage eines Analysten, der seit 2012 in einer Beratungsgesellschaft beschäftigt und 2014 dort erstmals in den Betriebsrat gewählt wurde. Als BR-Mitglied war der Analyst zunächst nicht vollständig freigestellt. Ab Mai 2022 war er vollständig für die BR-Tätigkeit freigestellt.

Die Beklagte verwendet u.a. die für Kunden absolvierten Fortbildungen und Projekttätigkeiten als Grundlage für Beförderungsentscheidungen. Dem Kläger wurden bereits vor seiner vollständigen Freistellung kaum Projekte zugewiesen, da er nur zu ca. 60 % für Projektarbeit zur Verfügung stand.

In den Jahren 2021 und 2022 erhielt der Kläger keine Beförderungsempfehlung für ein höheres Career Level (CL), da dessen Leistungen hierfür keine Rechtfertigung geben würden.

Mit der Klage beantragt der Kläger eine höhere Eingruppierung.

Das LAG gibt der Klage recht, da nach seiner Einschätzung der Kläger im Jahr 2022 nur wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht befördert und damit benachteiligt worden sei (§ 78 Abs.2 BetrVG). Der Kläger habe keine positive Beurteilung erreichen können, weil er wegen seiner Betriebsratstätigkeit nur zu 60 % verfügbar war. Es sei aber die Pflicht der Arbeitgeberin, dem Kläger entsprechende Tätigkeiten zuzuweisen. Zudem könne von einem BR-Mitglied nicht erwartet werden, dass der vertraglich vereinbarten Tätigkeit stets Vorrang vor der Betriebsratsarbeit eingeräumt werde.


Hinweis RA Dr. Norbert Gescher


Die Benachteiligung von BR-Mitgliedern im Zusammenhang mit Gehaltsanpassungsprozessen und variabler Vergütung ist ein häufiger Streitpunkt in der BR-Praxis. Das LAG stellt klar, das nach dem betrieblichen Entgeltsystem für eine Beförderungsempfehlung notwendige Einsätze bei externen Kundenprojekten, strukturell Betriebsratsmitglieder benachteiligen kann, wenn sie infolge der Betriebsratstätigkeit einem Projekt zeitlich nicht uneingeschränkt zur Verfügung stehen konnten.

Wichtig ist auch die Klarstellung, dass der Arbeitgeber das Verwendungsrisiko im Hinblick auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers selbst dann trägt, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Kunden selbst über die personelle Zusammensetzung des Beraterteams entscheiden. Insofern stärkt die Entscheidung die Position der Betriebsräte in vergleichbaren Streitfällen.


Gericht:              LAG Hessen

Az:                      10 Sa 923/22

Datum:               17.3.2023

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