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BAG: Unwirksamkeit einer nachvertraglichen Verschwiegenheitsklausel

Autorenbild: Norbert GescherNorbert Gescher

Die Klägerin ist eine führende Herstellerin von Füllmaschinen für Lebensmittel und Getränke sowie des dazu passenden Verpackungsmaterials. Hierbei handelt es sich um Verpackungsmäntel (sog. Sleeves), die die Klägerin auf automatischen Faltschachtelklebemaschinen (AFK-Maschinen) in einer Menge von zuletzt ca. 34 Milliarden Stück pro Jahr produziert. Konkurrenzunternehmen konnten vergleichbare Produkte bislang nicht in dieser Dimension auf den Markt bringen. Die technologischen Fähigkeiten der Konkurrenzunternehmen und die Qualität ihrer Produkte sind zwischen den Parteien streitig geblieben.

 

Der Beklagte war bei der Klägerin von Oktober 1988 bis zum 31. Dezember 2016 beschäftigt. Er war maßgeblich an der Weiterentwicklung ihrer Produkte beteiligt und stand in engem Austausch mit Mitarbeitern aus dem Bereich Forschung und Entwicklung. Seit dem 1. Januar 2009 war er auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 5. Dezember 2008 als Central Technology Manager tätig. Der Arbeitsvertrag lautet auszugsweise:

 

„11. Geheimhaltung

 

Herr D wird über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie alle sonstigen ihm im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge der Gesellschaft Stillschweigen bewahren. Er wird dafür Sorge tragen, dass Dritte nicht unbefugt Kenntnis erlangen.

 

Die Verpflichtung zur Geheimhaltung besteht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus und umfasst auch die Inhalte dieses Vertrages.“

 

Der Beklagte hatte sein Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31.12.2016 gekündigt und ist seit 1.1.2017 als Global Technology Manager bei einem ihrer Hauptkunden tätig. Unter einem Pseudonym hatte der Kläger E‑Mails mit vertraulichen Angaben und Anlagen an die Gesellschafter eines konkurrierenden Unternehmens versandt. Nachdem bereits der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erfolglos war, klagte das Unternehmen im Hauptsacheverfahren auf Unterlassung, blieb aber auch hier in allen drei Instanzen erfolglos.

 

Demnach habe die Klägerin nicht dargelegt, dass ein Unterlassungsanspruch aus § 6 GeschGehG bestehen könne. Insbesondere habe die Klägerin nicht darlegen können, welche konkreten Geheimhaltungsmaßnahmen sie getroffen habe. Auch zur Angemessenheit im konkreten Einzelfall fehlte ein substantiierter Vortrag.

 

Zudem ergebe sich auch aus dr arbeitsvertraglichen Vertraulichkeitsklausel kein Unterlassungsanspruch. Die oben wiedergegebene Klausel stellt eine sog. Catch-all-Klausel dar, die Mitarbeitende über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus uneingeschränkt und unendlich zur Verschwiegenheit verpflichten soll. Eine derartige Klausel sei aber nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen und damit unwirksam.

 

Hinweise RA Dr. Norbert Gescher

 

Nachvertragliche Verschwiegenheitsklauseln halten häufig einer Angemessenheitsprüfung nicht stand. So kann sich eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht bei überwiegendem Interesse des Arbeitgebers am Schweigen des Arbeitnehmers allenfalls auf einzelne, konkret bestimmte Geschäftsgeheimnisse beziehen.

Wenn aber kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot iSd. §§ 74 ff. HGB vereinbart wird, ist der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, dem Arbeitgeber keinen Wettbewerb zu machen. Er darf daher im Rahmen seiner nach Art. 12 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit ein im vorherigen Arbeitsverhältnis erworbenes Erfahrungswissen einschließlich der Kenntnis von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen einsetzen.

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