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BAG: Erneute Entscheidung zum Zugang von Einschreiben

  • Autorenbild: Norbert Gescher
    Norbert Gescher
  • 20. März
  • 2 Min. Lesezeit

Die Klägerin arbeitete seit Mai 2021 bei der Beklagten. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14. März 2022 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 18. März 2022 Kündigungsschutzklage und wies auf ihre bestehende Schwangerschaft hin. Das Arbeitsgericht stellte später – mit Urteil vom 11. Januar 2023 – fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigung nicht aufgelöst wurde.

Das zuständige Regierungspräsidium erteilte der Beklagten mit Bescheid vom 25. Juli 2022 die Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin. Im Rahmen des damals noch erstinstanzlich anhängigen Kündigungsschutzverfahrens berief sich die Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 4. November 2022 darauf, sie habe das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 26. Juli 2022 ein weiteres Mal außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. September 2022 gekündigt. Die Klägerin hat den Zugang dieses Kündigungsschreibens bestritten.

Die Mitarbeiterinnen der Beklagten U und K hätten das Kündigungsschreiben gemeinsam in einen Briefumschlag gesteckt.

Danach habe Frau U den Umschlag zur Post gebracht und dort am 26. Juli 2022 um 15:35 Uhr als Einwurf-Einschreiben zur Sendungsnummer RT persönlich aufgegeben. Ausweislich des im Internet abrufbaren sog. Sendungsstatus sei das Schreiben mit der entsprechenden Sendungsnummer der Klägerin am 28. Juli 2022 zugestellt worden. Insoweit bestehe ein Anscheinsbeweis, der durch das pauschale Bestreiten der Klägerin nicht erschüttert werde, auch wenn sie – die Beklagte – wegen des zwischenzeitlichen Ablaufs der Frist, innerhalb derer die Deutsche Post AG die Kopie eines Auslieferungsbelegs erteilt, einen solchen nicht vorlegen könne. Schließlich habe das Landesarbeitsgericht verkannt, dass einige Indizien dafür sprächen, dass das Bestreiten des Zugangs durch die Klägerin wahrheitswidrig sei.

Das BAG gibt der Klage der Mitarbeiterin recht, weil nicht festgestellt werden könne, dass die streitgegenständliche Kündigungserklärung der Mitarbeiterin zugegangen ist.

Demnach genüge der von der Beklagten vorgelegte Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens, aus dem neben dem Datum und der Uhrzeit der Einlieferung die jeweilige Postfiliale und die Sendungsnummer ersichtlich sind, zusammen mit einem von der Beklagten im Internet abgefragten Sendungsstatus („Die Sendung wurde am 28.07.2022 zugestellt.“) nicht für einen Beweis des ersten Anscheins, dass das Schreiben der Klägerin tatsächlich zugegangen ist.

Die Vorlage des Einlieferungsbelegs begründe keine gegenüber einfachen Briefen – bei denen kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung besteht (st. Rspr., vgl. BGH 19. Mai 2022 – V ZB 66/21 – Rn. 10; 21. Januar 2009 – VIII ZR 107/08 – Rn. 11) – signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit für den Zugang der Sendung beim gewollten Empfänger des Einwurf-Einschreibens. Da durch die Absendung eines Schreibens nicht der Nachweis seines Zugangs erbracht werden kann, ist der Einlieferungsbeleg für die Frage des Zugangs ohne Bedeutung.


Hinweise RA Dr. Norbert Gescher


Mit dieser Entscheidung liegt nun bereits das zweite Urteil innerhalb weniger Monate zum Zugang von Kündigungen vor. Hier wendet das BAG die schon vom BGH entwickelten Grundsätze konsequent um. Danach ist ein Nachweis, dass ein Schreiben aufgegeben wurde, eben noch kein Nachweis, dass es auch in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist.


Gericht: BAG

Az: 2 AZR 68/24

Datum: 30.01.2025

 
 
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