Gegenstand dieses Verfahrens war die Anfechtung der im Mai 2021 durchgeführten Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in einer Aktiengesellschaft. Im Rahmen der Wahlvorbereitung hatte der Hauptwahlvorstand folgenden Beschluss gefasst:
„Es wird (…) eine Präsenzwahl angeboten (…). Zusätzlich werden jedem Mitarbeiter die Unterlagen für die Briefwahl nach Hause geschickt. Falls man per Briefwahl gewählt hat, kann man dennoch seine Stimme noch persönlich abgeben, da die in Präsenz abgegebene Stimme dann zählen würde.“
Begründet wurde die Briefwahl in dem Luftfrachtunternehmen mit der Pandemielage, geltender Homeoffice-Regelungen und Kurzarbeit. Von den Wählern beteiligten sich 85 % per Briefwahl. Verschiedene Arbeitnehmer hatten daraufhin beantragt, die Wahl für unwirksam zu erklären und waren in den ersten beiden Instanzen erfolgreich gewesen. Jetzt hat auch das BAG die Unwirksamkeit der Wahl bestätigt, weil die generelle Möglichkeit zur schriftlichen Stimmabgabe nach § 49 3. WOMitbestG nicht vorgelegen habe.
Nach dieser Vorschrift dürfen Briefwahlunterlagen (nur) auf Verlangen versendet werden. Daran aber habe es hier gefehlt, weil die Briefwahlunterlagen unaufgefordert an alle Wahlberechtigten versendet wurden.
Hinweise RA Dr. Norbert Gescher
Zwar entspricht es herrschender Meinung, dass eine generelle Briefwahl nicht zulässig ist und insofern bestätigt die Entscheidung diese Linie. Inwieweit eine solche Handhabung zeitgemäß ist, darf in immer mobiler werdenden Arbeitsstrukturen bezweifelt werden. Die Anforderungen an die Annahme, dass Wähler zum Wahlzeitpunkt betriebsabwesend sein würden, wurde in pauschaler Anwendung nicht einmal für die Pandemiesituation bejaht. Die weitere Frage, wann der Wahlvorstand „nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses“ von einer Betriebsabwesenheit ausgehen darf, bleibt auch vor dem Hintergrund von Homeoffice und mobiler Arbeit in dieser Entscheidung offen.
Gericht: BAG
Az: 7 ABR 22/23
Datum: 24.4.2024