Ein Unternehmen der Getränkeindustrie schrieb Ende März 2021 eine bislang im Betrieb nicht vorhandene Stelle eines Prozess- und Projektspezialisten Technik (w/m/d) aus. Der Bewerbungsprozess wurde digital mit einem Recruiting-Softwareprogramms durchführt, in dem alle Bewerbungsunterlagen hinterlegt waren. Die Betriebsratsmitglieder, denen Dienst-Laptops zur Verfügung standen, hatten für die Dauer des Zustimmungsverfahrens Zugriff auf dieses System und dort auf die persönlichen Angaben der Bewerberinnen und Bewerber, ihre Anschreiben, Lebensläufe, Zeugnisse und Zertifikate.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, das Zustimmungsersetzungsverfahren sei schon nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden, weil die Arbeitgeberin den Betriebsrat nicht hinreichend unterrichtet habe und ihm insbesondere die Bewerbungsunterlagen und von der Arbeitgeberin gefertigte Schriftstücke nicht in Papierform vorgelegt habe, sodass die Frist des § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG gar nicht in Gang gesetzt worden sei. Die Vorlage von Unterlagen bedeute, dass diese den Betriebsratsmitgliedern (auch) in der Sitzung gegenständlich zur Verfügung stehen müssten, damit diese jederzeit Einsicht nehmen könnten. Die Betriebsratsmitglieder müssten die Unterlagen „zur Hand haben“. Die Vorlagepflicht sei nicht dadurch erfüllt, dass die einzelnen Betriebsratsmitglieder durch Zugriff auf das SFR-Tool die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Unterlagen hätten.
Das Unternehmen beantragte daraufhin, die Zustimmung der Arbeitnehmervertretung vom Gericht ersetzen zu lassen. Das BAG hat nunmehr die Entscheidung der beiden erstinstanzlichen Gerichte bestätigt und die Zustimmung des BR ersetzt. Demnach sei das Unternehmen nicht verpflichtet gewesen, dem BR die „Bewerbungsunterlagen“ der Interessenten in Papierform vorzulegen. Vielmehr lasse der durch den Wortlaut der Norm vermittelte Wortsinn lässt erkennen, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat digital verfügbare „Bewerbungsunterlagen“ auch nur in dieser Form zur Verfügung stellen muss. Bei einem funktionalen Verständnis seien solche „Unterlagen“ alle Interessenbekundungen und Daten, die der Arbeitgeber dafür von den Bewerberinnen und Bewerbern erhalten habe. In welchem Format das geschieht, sei unerheblich.
Hinweise RA Dr. Norbert Gescher
Die Einwände des BR gegen die digitale Form der Information waren hier wohl auch dadurch bestimmt, dass innerhalb der Wochenfrist keine tragfähigen Einwendungen erhoben wurden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Betriebsrat mit Zustimmungsverweigerungsgründen ausgeschlossen, die er dem Arbeitgeber nicht innerhalb der Wochenfrist nach seiner Unterrichtung mitgeteilt hat. Er kann dann im Laufe des Zustimmungsersetzungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht keine weiteren als die im Zusammenhang mit seiner Zustimmungsverweigerung genannten Gründe nachschieben (BAG, Beschluss vom 17.11.2010 - 7 ABR 120/09 - Rz. 34; BAG, Beschluss vom 23.01.2019 - 4 ABR 56/17 - Rz. 17; BAG, Beschluss vom 13.08.2019 - 1 ABR 10/18 - juris, Rz. 40; Fitting, BetrVG, 30. Aufl., § 99 Rz. 277 d).
Gericht: BAG
Az: 1 ABR 28/22
Datum: 13.12.2023