Streitgegenständlich in diesem Verfahren war die Frage, ob ein Mitarbeiter vom Homeoffice per Direktionsrecht oder hilfsweise ausgesprochener fristloser Änderungskündigung an einen ca. 500 km entfernten Betriebsstandort eingesetzt werden kann.
Die Beklagte ist eine Gesellschaft im Bereich der industriellen Planung, Entwicklung und Realisierung und betreut dabei als Zulieferer oder Dienstleister verschiedene Kunden im Automotive-Bereich.
Der Kläger ist seit dem 23.01.2017 bei der Beklagten als „Fachbereichs- und Niederlassungsleiter UWT, Planung und Projektmanagement“ beschäftigt. Zuletzt erhielt er vereinbarungsgemäß eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 7.299,00 € brutto.
Im Arbeitsvertrag heißt es unter anderem:
„Der Einsatzort des Angestellten bezieht sich auf die gesamte C.-C. Unternehmensgruppe und richtet sich nach den laufenden Projekten der C.-C. Unternehmensgruppe.“
Mit Schreiben vom 24.03.2023 versetzte die Beklagte den Kläger mit Wirkung ab dem 01.05.2023 auf einen zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden freien Arbeitsplatz im ca. 500 km entfernten Betrieb der Beklagten am Standort M. und wies ihn an, seine Arbeitsleistung am Standort der Beklagten in M. zu erbringen.
Ebenfalls mit Schreiben vom 24.03.2023 sprach die Beklagte hilfsweise für den Fall, dass die Versetzung nach M. unwirksam sein sollte, eine ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus, mithin zum 31.05.2023, verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen am Standort M. fortzusetzen. Wörtlich heißt es in dem Kündigungsschreiben:
„Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, das Arbeitsverhältnis ab dem Folgetag, das heißt nach unserer Berechnung ab dem 01.06.2023 nicht mehr an unserem K., sondern an unserem M. Standort (K.-straße M.) zu im Übrigen unveränderten Bedingungen fortzusetzen.“
Mit Schreiben vom 06.04.2023 erklärte der Kläger durch seinen Rechtsanwalt,
„Mein Mandant wäre jedoch bereit, seine Tätigkeit in Ihrem Unternehmen im Home-Office fortzusetzen. Hiermit bieten wir unter diesen Bedingungen seine Arbeitskraft ab dem 01. Mai 2023 ausdrücklich an.“
Die gegen die personellen Maßnahmen gerichtete Klage des Mitarbeiters war sowohl in der ersten, als auch in der zweiten Instanz erfolgreich. So sei die Versetzung des Klägers an den ca. 500 km entfernten Präsenzarbeitsplatz nicht mehr vom billigen Ermessen nach § 106 GewO gedeckt. Dies erfordere überwiegende "sachliche Interessen" der Arbeitgeberin, die nicht dargelegt seien. Der Kläger habe daher ein "erhebliches Bestands- und Ortsinteresse", da er über Jahre hinweg im Homeoffice gearbeitet habe und "familiär, logistisch, im Freundeskreis" gebunden sei.
Es sei zudem nicht konkret bestritten worden, dass er seine Aufgaben nicht wie bisher vom Homeoffice aus erbringen könne. Die hilfsweise Änderungskündigung ist demnach ebenfalls unwirksam, weil sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 KSchG bedingt sei. Eine unternehmerische Organisationsentscheidung hinsichtlich der Homeoffice-Tätigkeit, die den Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis rechtfertigen könne, sei schon nicht substantiiert vorgetragen worden.
Hinweise RA Dr. Norbert Gescher
Immer häufiger versuchen Unternehmen, gerade in Zeiten von Corona ausgeweitete Homeoffice-Regelungen rückgängig zu machen. Die Entscheidung gibt wichtige Anhaltspunkte für die dabei einzuhaltenden Vorgaben und stärkt die Position der Mitarbeitenden.
Gericht: OLG Köln
Az: 6 Sa 579/23
Datum: 11.7.2024