In dem entschiedenen Fall hat der lokale BR einer Vertriebsgesellschaft gegenüber dem Arbeitgeber Verhandlungen über die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im Betrieb für die dort tätigen Außendienstmitarbeiter geltend gemacht. Für diese Beschäftigtengruppe gab es bis dahin noch keine Regelung.
Der Arbeitgeber lehnte dies ab, u.a. weil der Konzernbetriebsrat zuständig sei, man sich zudem bereits für ein konkretes Zeiterfassungssystem entschieden habe und etwaige Regelungen eventuell der anstehenden Änderung des ArbzG nicht entsprechen würden.
Der Betriebsrat hat daraufhin beim ArbG München die Errichtung einer Einigungsstelle beantragt.
Nachdem das Arbeitsgericht die Einigungsstelle antragsgemäß eingesetzt hatte, legte die Arbeitgeberin nunmehr Beschwerde zum LAG ein.
Das LAG hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt, wonach der Betriebsrat ein Initiativrecht für die Ausgestaltung (das „wie“ und nicht das „ob“) der Zeiterfassung besitzt.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG habe demnach der lokale Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, die der Arbeitgeber aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat, bei deren Gestaltung ihm aber Handlungsspielräume verbleiben. Das Mitbestimmungsrecht setze ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen Fehlens einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen.
Da zudem für das Gericht nur eingeschränkte Prüfungskompetenz hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen der Zuständigkeit der Einigungsstelle besteht, könne ein Antrag auf Einsetzung der Einigungsstelle durch das Gericht nur dann zurückgewiesen werden darf, wenn die Zuständigkeit der Einigungsstelle zur Regelung des strittigen Fragenkomplexes bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht auf den ersten Blick erkennbar unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist. Davon aber könne im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.
Hinweise von RA Dr. Norbert Gescher
Hinsichtlich der Erfassung von Arbeitszeiten ist auf der Basis der aktuellen Rechtsprechung mehrfach zu unterscheiden:
Für das „ob“ der Einführung besteht nach § 87 Abs. 1 BetrVG kein Mitbestimmungsrecht, weil der Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG dazu gesetzlich verpflichtet ist.
Für das „wie“ der Ausgestaltung des im Betrieb zu verwendenden Systems aber besteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG (vgl. BAG v. 13.09.2022, 1 ABR 23/22). Da dies eine Frage des Arbeitsschutzes ist, liegt die Zuständigkeit beim lokalen Betriebsrat.
Die Frage der Zuständigkeit für die Einführung und Anwendung des konkreten IT-Systems der Zeiterfassung nach § 87 Abs.1 Nr.6 BetrVG ist dann ggfls. der Konzernbetriebsrat zu beteiligen, wenn das System nur einheitlich auf der Ebene des Konzerns konfiguriert werden kann (§ 58 BetrVG).
Die Revision gegen die Entscheidung ist derzeit beim BAG anhängig.
Gericht: LAG München
Az: 4 TaBV 24/23
Datum: 22.5.2023
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