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AutorenbildNorbert Gescher

BAG/EuGH Kündigung einer Hebamme wegen Kirchenaustritt


In dem zu entscheidenden Fall war die Klägerin bereits bis Mitte 2014 als Hebamme bei einem Krankenhausträger angestellt, der die Grundordnung des kirchlichen Dienstes satzungsgemäß übernommen hat und die AVR-Caritas anwendet. Nach ihrem Ausscheiden machte sie sich selbständig und trat im September 2014 aus der katholischen Kirche aus. Als die Hebamme sich im Frühjahr 2019 erneut bei der Beklagten beworben hatte, wurde die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche nicht nachgefragt. 

Allerdings hatte die Hebamme in dem ihr übermittelten Personalfragebogen den Austritt aus der katholischen Kirche angegeben. Nachdem Gespräche mit dem Ziel, sie wieder zu einem Eintritt in die katholische Kirche zu bewegen, erfolglos blieben, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 26.07.2019 zum 31.08.2019. Unstreitig beschäftigt die Beklagte auch konfessionslose Mitarbeiter:innen, die nicht zuvor katholisch waren.

Das erstinstanzliche Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Danach hatte das Bundesarbeitsgericht den EuGH um die Beantwortung von Fragen zur Auslegung des Unionsrechts ersucht. Demnach bedurfte es der Klärung, ob die Ungleichbehandlung der Klägerin mit Arbeitnehmern, die niemals Mitglied der katholischen Kirche waren, vor dem Hintergrund des durch Art. 21 GRC und die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf gewährleisteten Schutzes vor Diskriminierungen unter anderem wegen der Religion gerechtfertigt sein kann.


Die der Caritas angeschlossene Beklagte hat nunmehr nach der mündlichen Verhandlung vor der Großen Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union die Revisionsanträge der Klägerin anerkannt, wonach das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Juli 2019 nicht aufgelöst ist. Mit der Zustellung des auf Antrag der Klägerin ergangenen Anerkenntnisurteils ist damit das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht abgeschlossen und der EuGH hat den Termin für den Vortrag der Schlussanträge des Generalanwalts am 11. Januar 2024 aufgehoben.


Hinweise von Dr. Norbert Gescher:


Eine inhaltliche Entscheidung des EuGH wurde mit Spannung erwartet und dürfte nun letztlich nur verschoben sein. Vergleichbare Fälle stehen bereits zur Entscheidung an.

Angesichts der hohen Anzahl an Kirchenaustritten stehen die Kirchen zunehmend vor dem Problem, ob sie aus der Kirche ausgetretene Mitarbeiter:innen anders behandeln können und wollen, als Mitarbeiter:innen, die ohne Kirchenaustritt konfessionslos sind. Dabei sind auch die Änderungen, die die neue Grundordnung zu den Loyalitätspflichten enthält zu berücksichtigen. Das Anerkenntnis ist dennoch ein wichtiges Signal in die richtige Richtung und weist den gewünschten Loyalitätspflichten deutliche Grenzen auf.

 

 

Gericht: BAG

Az: 2 AZR 130/21

Datum: 14.12.2023

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