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AutorenbildNorbert Gescher

BAG: Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes bei Annahmeverzug

In diesem Verfahren streiten die Parteien über Vergütung des Klägers wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 30. August 2020. Der Kläger, der bei der Beklagten als Maschinenbeschicker tätig war, hatte in zweiter und letzter Instanz erfolgreich Kündigungsschutzklage geführt. Nachdem er wieder durch die Beklagte beschäftigt wurde, machte er für den oben genannten Zeitraum Annahmeverzugslohn gelten. Die Beklagte hielt ihm böswilliges Unterlassen anderweitigen Lohns vor, weil in der Region erheblicher Arbeitskräftemangel herrsche und der Kläger leicht eine andere Tätigkeit hätte finden können. Das Landesarbeitsgericht hatte der Klage im Wesentlichen stattgegeben, weil der der Kläger sich arbeitssuchend gemeldet und die Weisungen der Bundesagentur befolgt habe. Weitere Anstrengungen müsse er nicht unternehmen.

 

Das BAG hat den Rechtstreit jetzt zurückgewiesen, dass die Entscheidung zur Beurteilung der Böswilligkeit eines etwaigen Unterlassens anderweitigen Erwerbs im Rahmen von § 11 Nr. 2 KSchG hinsichtlich der vorgenommenen Abwägung der beiderseitigen Interessen einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht standhalte.

 

Ein Arbeitnehmer unterlässt demnach dann böswillig i.S.d. § 11 Nr. 2 KSchG anderweitigen Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich

untätig bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 GG zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert.

Das Landesarbeitsgericht habe es insbesondere versäumt, in der Gesamtabwägung zu prüfen, ob der Kläger nicht vorsätzlich verhindert habe, dass ihm eine zumutbare Arbeit überhaupt angeboten wird. Dieser hatte nämlich in seinem Mailverkehr mit der Bundesagentur darauf hingewiesen, Vermittlungsbemühungen jeweils mit dem ungefragten Hinweis auf sein laufendes Gerichtsverfahren zu beantworten, was dazu geführt hatte, dass eine weitere Vermittlung durch die Bundesagentur nicht erfolgt war.

Zwar könne dem Arbeitnehmer, der sich nach einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend meldet und geht er deren Vermittlungsangeboten nachgeht, regelmäßig keine vorsätzliche Untätigkeit vorgeworfen werden. Aus § 11 Nr. 2 KSchG könne allerdings nicht abgeleitet werden, der Arbeitnehmer dürfe in jedem Fall ein zumutbares Angebot der Agentur für Arbeit abwarten. Vielmehr könne die Abwägung der Interessen im Einzelfall für ihn auch die Obliegenheit begründen, ein eigenes Angebot abzugeben, wenn sich ihm eine realistische zumutbare Arbeitsmöglichkeit bietet.

 

Hinweise RA Dr. Norbert Gescher

 

Die Entscheidung hat wesentliche Auswirkungen auf die künftige Beurteilung des Vorliegens eines Anspruchs auf Annahmeverzugslohn. Betroffene Arbeitnehmer müssen sich demnach nicht nur arbeitssuchend melden, sondern auch entsprechende Vermittlungsbemühungen ermöglichen und Bewerbungen aufgrund Vorschlägen der Bundesagentur abgeben. Darüber hinaus geht das BAG aber davon aus, dass ggfls. Auch eigene Bewerbungen über die Vorschläge der Bundesagentur hinaus zumutbar sind und zudem auch Vorschlägen nachgegangen werden müsse, die der bisherige Arbeitgeber an den betroffenen Arbeitnehmer übermittelt hat. Die anderweitige Arbeit muss zumutbar sein. Dies beurteilt sich insbesondere nach der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen

Zudem liege die Unzumutbarkeit einer anderweitigen Tätigkeit nicht allein schon aus einem geringeren Verdienst im Verhältnis zum bisherigen vor. Eine erhebliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen muss der Arbeitnehmer allerdings grundsätzlich nicht hinnehmen und die anderweitige Tätigkeit darf auch nicht mit den Pflichten aus dem gekündigten Arbeitsverhältnis kollidieren, sodass beispielsweise die Aufnahme einer gegen ein Wettbewerbsverbot verstoßenden Konkurrenztätigkeit unzumutbar wäre.



Gericht: Bundesarbeitsgericht

Az: 5 AZR 177/23

Datum: 5. Februar 2024

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